Page:Schlick - Gesammelte Aufsätze (1926 - 1936), 1938.djvu/59

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naive Denkweise, die etwa dem Standpunkte John Stuart Mills entsprechen würde, liegt unserem Empirismus, der seine ganze Kraft durchaus rein logischen Einsichten verdankt, sehr fern. Wenn ihm eine solche Aussage vorliegt wie der Satz „Eine Flache kann nicht zugleich rot und grün sein“, so tut er nichts weiter, als daß er sich schlicht und vorurteilslos klar macht, worin der Sinn der Aussage eigentlich besteht. Dies ist nämlich überhaupt die eigentliche Aufgabe der philosophischen Tätigkeit; ihre Probleme werden nicht gelöst durch beweisendes Begründen, das zu neuen Erkenntnissen führt, sondern durch bloße Besinnung darüber, was man mit den fragwürdig gewordenen Sätzen tatsächlich meint, was man mit ihnen sagen will; und um dies zu sehen, muß man sich nur vergegenwärtigen, wie jene Sätze eigentlich gebraucht werden.

Ein synthetischer Satz, also ein solcher, der wirklich eine Erkenntnis ausdrückt, wird im Leben und Wissenschaft stets zur Mitteilung eines Tatbestandes verwendet, nämlich eben des Tatbestandes, dessen Erkenntnis er enthält. Ein analytischer Satz dagegen, oder — wie wir deutlicher sagen — eine Tautologie, hat eine völlig andere Funktion; er stellt nur eine rein formale Umformung äquivalenter Ausdrücke dar und dient daher nur als technisches Mittel innerhalb eines Beweises, einer Deduktion, eines Kalküls. Eine Tautologie ist natürlich apriori wahr, sie drückt keinen Tatbestand aus, und ihre Geltung ruht daher auf keinerlei Erfahrung; denn um zu wissen, ob zwei Ausdrücke äquivalent sind oder nicht, brauche ich nur ihre festgesetzte Bedeutung zu kennen, nicht aber irgendwelche Tatbestände der Welt.

Der Empirismus, den ich vertrete, glaubt sich klar darüber zu sein, daß alle Aussagen, prinzipiell gesprochen, entweder synthetisch a posteriori oder tautologisch sind; synthetische Sätze a priori scheinen ihm eine logische Unmöglichkeit zu sein. Muß er diesen Standpunkt, den er gegenüber der Kantischen Philosophie mit Leichtigkeit zu verteidigen vermochte, angesichts der von Husserl und seiner Schule scheinbar zur Grundlage einer neuen Philosophie gemachten Sätze etwa aufgeben?

Ist es etwa eine synthetische Aussage a priori, daß jeder Ton eine bestimmte Höhe hat, daß ein grüner Fleck nicht auch zugleich rot ist? Gemäß unserem Programm fragen wir, wie denn dergleichen Sätze tatsächlich gebraucht werden, bei welchen Gelegenheiten sie überhaupt

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