Page:Wittgenstein - Tractatus Logico-Philosophicus, 1922.djvu/184

From Wikisource
Jump to navigation Jump to search
This page does not need to be proofread.

LOGISCH-PHILOSOPHISCHE ABHANDLUNG

wir das einfachste Gesetz annehmen, das mit

unseren Erfahrungen in Einklang zu bringen ist. 6.3631 Dieser Vorgang hat aber keine logische, sondern

nur eine psychologische Begriindung.

Es ist klar, dass kein Grund vorhanden ist, zu

glauben, es werde nun auch wirklich der einfachste

Fall eintreten. 6.36311 Dass die Sonne morgen aufgehen wird, ist eine

Hypothese ; und das heisst : wir w i s s e n nicht, ob

sie aufgehen wird. 6.37 Einen Zwang, nach dem Eines geschehen miisste,

weil etwas anderes geschehen ist, gibt es nicht. Es

gibt nur eine logische Notwendigkeit.

6.371 Der ganzen modernen Weltanschauung liegt die Tauschung zugrunde, dass die sogenannten Natur- gesetze die Erklarungen der Naturerscheinungen seien.

6.372 So bleiben sie bei den Naturgesetzen als bei etwas Unantastbarem stehen, wie die alteren bei Gott und dem Schicksal.

Und sie haben ja beide Recht, und Unrecht. Die Alten sind allerdings insofern klarer, als sie einen klaren Abschluss anerkennen, wahrend es bei dem neuen System scheinen soil, als sei alles erklart.

6.373 Die Welt ist unabhangig von meinem Willen.

6.374 Auch wenn alles, was wir wiinschen, geschahe, so ware dies doch nur, sozusagen, eine Gnade des Schicksals, denn es ist kein logischer Zusam- menhang zwischen Willen und Welt, der dies verbiirgte, und den angenommenen physikalischen Zusammenhang konnten wir doch nicht selbst wieder wollen.

^•375 Wie es nur eine logische Notwendigkeit gibt,

so gibt es auch nur eine logische Unmoglichkeit.

6.3751 Dass z. B. zwei Farben zugleich an einem Ort des Gesichtsfeldes sind, ist unm6glich und zwar logisch unm6glich, denn es ist durch die logische Struktur der Farbe ausgeschlossen.

180